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Diversität und Gen Z: Warum pauschale Betrachtungen nicht ausreichen? (Teil 1)

18. November 2024

Die Diskussion um die verschiedenen Generationen – von Babyboomern über Generation X und Millennials bis zur Generation Z – hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen. Besonders die sogenannte Gen Z, die jüngste Generation auf dem Arbeitsmarkt, steht dabei im Fokus. Oft wird sie als anspruchsvoll, individualistisch und weniger belastbar dargestellt. Aussagen wie „Die Jüngeren wollen keine zusätzliche Arbeit leisten“ oder „Sie erwarten ständig Feedback“ sind weit verbreitet. Doch sind diese pauschalen Betrachtungen wirklich hilfreich, um den Bedürfnissen und Potenzialen dieser jungen Menschen gerecht zu werden?

In zwei Teilen möchten wir einerseits zu einer differenzierten Betrachtung der Auszubildenden und jungen Erwachsenen beitragen und gleichzeitig Ihnen einen praxisorientierten Leitfaden zum Umgang und zur Begleitung der Gen Z anbieten.


Die Generation Z – Eine homogene Gruppe?

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf aktuelle wissenschaftliche Studien. So zeigt die Sinus-Milieu-Studie von 2023, dass die Gen Z keineswegs eine homogene Gruppe ist. Vielmehr werden hinsichtlich der beiden Parameter soziale Lage und Grundorientierung verschiedene soziale Milieus beschrieben. Auffällig ist, dass sich deren Werte und Lebensstile deutlich unterscheiden. Während manche jungen Menschen traditionell und sicherheitsorientiert sind, legen andere Wert auf Individualität, Freiheit und Selbstverwirklichung. Dies deckt sich mit den Ergebnissen der Shell-Jugendstudie (2024), die ebenfalls auf eine breite Diversität innerhalb der jungen Generation hinweist. Diese Unterschiede in den Wertvorstellungen und Lebensstilen betreffen einerseits die Berufswelt und andererseits die Art und Weise, wie junge Menschen Beziehungen führen, ihre Freizeit gestalten und welche Zukunftsvorstellungen sie haben.


Hohe Ansprüche oder veränderte Erwartungen?

Die Kritik, die Generation Z sei zu faul, zu anspruchsvoll, zu unverbindlich ist vielfach zu hören und zu lesen. Demgegenüber kommt die Shell-Jugendstudie (2024) zu dem Ergebnis, dass zwei Drittel der Jugendlichen bereit seien, mehr zu arbeiten, um dadurch mehr Geld zu verdienen. Eine differenzierte Betrachtungsweise ist also notwendig. Die Vorstellung von drei der sieben Cluster der Sinus-Studie (2023) sollen die Unterschiedlichkeit in der Gen Z verdeutlichen.

  • Die Gruppe der „Traditionell-Bürgerlichen“ (ca. 17%) wird u.a. als zurückhaltend und geerdet beschrieben. Das Festhalten an Gewohnheiten und Gewissheiten ist ihr wichtig, während Veränderungen eher verhalten angenommen werden. 
  • Die „Postmateriellen“ (ca. 11%) verfolgen einen humanitären Wertekanon von Freiheit, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Ihnen ist eine kreative Selbstentfaltung bei hoher Lernbereitschaft bedeutsam.
  • Der Gruppe der „Expeditiven“ (ca. 24%) wird eine geringere Autoritätsorientierung nachgesagt, sie sind aber keine Rebellen ohne Grund. Selbstverwirklichung und ständige Erweiterung des eigenen Erfahrungshorizonts sind ihnen besonders wertvoll

Während ältere Generationen oft eine höhere Toleranz gegenüber strikten Hierarchien und weniger Kommunikation aufweisen, betrachtet ein Teil der Generation Z offene Kommunikation und transparente Führung als essenziell. Dies ist kein Zeichen von Faulheit oder Anspruchsdenken, sondern ein Ausdruck veränderter Erwartungen an die Art und Weise, wie Arbeit organisiert und Führung gestaltet wird. 

Festzustellen ist zudem, dass sich die Arbeitswelt in einem zentralen Punkt sehr deutlich verändert hat. Aufgrund des demografischen Wandels werden qualifizierte Arbeitnehmer:innen zur begehrten Ressource über nahezu alle Branchen hinweg. Die steigende Knappheit hat Auswirkungen auf die Wahlmöglichkeiten. Dass die Generation Z die Möglichkeit hat, wählerisch zu sein, liegt an der Demografie. Sie zählen zu den geburtenschwächsten Jahrgängen. Und sie lösen die große Zahl der Babyboomer ab, die nun in Rente gehen. Nicht alle Ausbildungsstellen können mit Auszubildenden und nicht alle Stellen können mit Fachkräften besetzt werden. Das macht anspruchsvoll. Der Arbeitsmarkt ist momentan für alle sehr interessant. Das ist kein Thema, das nur die Jüngeren betrifft. Bedeutsam ist hingegen, dass die Jüngeren den Arbeitsmarkt nur so kennenlernen.


Wollen sie keine zusätzliche Arbeit?

Ein weiteres häufiges Vorurteil gegenüber der Generation Z ist, dass sie keine zusätzliche Arbeit leisten möchte. Auch hier lohnt sich ein differenzierter Blick. Laut der Gallup-Studie zum Mitarbeitendenengagement (2022) sind jüngere Menschen bereit, sich zu engagieren, wenn die Arbeit für sie sinnvoll ist und sie sich mit den Zielen des Unternehmens identifizieren können. 

Fallbeispiel: In einem mittelständischen Dienstleistungsunternehmen klagten ältere Mitarbeiter:innen darüber, dass die neuen Auszubildenden oft pünktlich Feierabend machen, während die Senior-Mitarbeiter:innen Überstunden leisten. Nach einer Befragung durch die Personalentwicklung stellte sich heraus, dass die Auszubildenden nicht weniger engagiert waren, sondern sich stark auf ihre Aufgaben konzentrierten und klare Prioritäten setzten. Die Führungskräfte mussten erkennen, dass es weniger um Arbeitsverweigerung ging, sondern um die Bereitschaft, den Fokus zu bewahren und gleichzeitig die eigene Belastungsgrenze zu schützen.

Mit anderen Worten: Der Wunsch nach klaren Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit deutet in diesem Fallbeispiel eher auf ein gesteigertes Bewusstsein für mentale Gesundheit und Work-Life-Balance hin. In einer Welt, die zunehmend durch Stress und Burnout geprägt ist, legen jüngere Menschen großen Wert darauf, dass sie ihre Energie nachhaltig einsetzen können.


Diversität über Generationen hinweg

Nicht nur die Generation Z ist heterogen, sondern auch andere Generationen wie die Millennials oder die Generation X. Betrachtet man in diesem Fall die Shell-Jugendstudie, die seit 1953 etwa alle vier Jahre die Einstellungen, Gewohnheiten und Werte der Jugendlichen / jungen Erwachsenen (ca. 12-25-Jährige) untersucht, so lässt sich die Diversität in den Generationen gut nachzeichnen. 

In jeder Generation gibt es Menschen, die karriereorientiert sind, während andere mehr Wert auf Stabilität und Sicherheit legen. Diese Diversität in den Lebensstilen und Erwartungen zieht sich durch alle Altersgruppen, so dass eine differenzierte Annahme über bestimmte Generationen benötigt wird. Die Bedürfnisse eines 20-Jährigen können genauso vielfältig sein wie die eines 45-Jährigen. Es ist nicht (nur) das Alter, das die Erwartungen prägt, sondern oft die individuellen Werte, das soziale Umfeld und die persönlichen Erfahrungen.


Warum pauschale Betrachtungen die Auszubildenden nicht erreichen?

Wenn wir Auszubildende oder junge Mitarbeitende ausschließlich durch die Brille von Generationenkonzepten betrachten, laufen wir Gefahr, ihre individuellen Bedürfnisse zu übersehen. Die Generation Z ist, wie jede andere Generation, nicht einheitlich. Es gibt Menschen, die ständig nach Feedback suchen, und andere, die lieber eigenständig arbeiten. Einige streben eine klare Work-Life-Balance an, während andere bereit sind, sich für eine sinnvolle Aufgabe voll einzusetzen.

Pauschalisierungen helfen uns daher nicht, wenn wir junge Talente erfolgreich führen und entwickeln wollen. Vielmehr ist es notwendig, die individuelle Motivation der Mitarbeitenden zu verstehen und ihre Entwicklung entsprechend zu gestalten. Ein strukturiertes Feedback-System mag für einige Azubis wertvoll sein, während andere mehr Freiheit und Eigenverantwortung benötigen.


Ausblick: Wie eine gewinnbringende Betrachtung aussehen müsste

Statt junge Generationen in Stereotypen zu packen, sollten Personalentwickler:innen und Ausbilder:innen darauf achten, ein differenziertes Bild der Mitarbeitenden zu entwickeln. Dies bedeutet, mehr Zeit in Gespräche, individuelles Coaching und persönlich zugeschnittene Entwicklungspläne zu investieren. 

 

Im nächsten, praxisorientierten Teil dieses Blogs werden wir uns genauer ansehen, wie Unternehmen diese Erkenntnisse nutzen können, um ihre Ausbildungsprogramme gezielt zu optimieren und die Talente der Generation Z langfristig zu fördern.

 

Martin Lindner

Quellen

Sinus-Milieus Deutschland 2023: https://www.sinus-institut.de/sinus-loesungen/sinus-milieus

Shell-Jugendstudie 2024: https://www.shell.de/ueber-uns/shell-jugendstudie.html

Gallup Engagement Study 2022: https://www.gallup.com/workplace/349484/state-of-the-global-workplace-2022-report.aspx