‚Mach’ doch was du willst’ – die hohe Kunst der intrinsischen Motivation
07. Juni 2021Wie gelingt es uns, die intrinsische Motivation für gewünschte Verhaltensänderungen, bzw. die Umsetzung von Handlungszielen aufzubringen? Und ist es überhaupt möglich, andere zu motivieren?
Diese Fragen treiben viele Führungskräfte um, wenn sie versuchen, Einfluss auf die Tatkraft, das Engagement oder die Leistungsbereitschaft ihrer Mitarbeitenden zu nehmen.
Ein Blick in das Thema Motivationspsychologie kann helfen herauszufinden, welche Mechanismen auf dem Weg von einer Idee hin zu einem Ziel wirksam werden.
INTRINSISCHE MOTIVATION: WAS MOTIVIERT UNS?
In dem Wort Motivation steckt der lateinische Wortstamm „movere“, der “bewegen” bedeutet – sich selbst, andere oder eine Sache. Damit sich aber etwas bewegt, benötigen wir Beweggründe, die Motive. Motive sind recht stabile Persönlichkeitseigenschaften, die beschreiben, wie wichtig einer Person ein Ziel ist. Obwohl ein Einfluss auf die Motive von außen schwierig ist, bleiben aber durchaus Handlungsoptionen.
Motive sind etwas anderes als Motivation. Motivation ist eine auf eine aktuelle Situation bezogene Bereitschaft, in der ein Motiv angeregt wird. Ein Beispiel: Eine Führungskraft übergibt Mitarbeitenden ein herausforderndes Projekt. Ein zentrales Motiv der Mitarbeitenden ist die Leistungsorientierung („Ich möchte eine optimale Leistung erbringen!“). In der konkreten Situation ist es wahrscheinlich, dass die Personen motiviert sind, Überstunden zu machen, um ihr Grundmotiv umzusetzen.
Wenn wir die Frage „Was motiviert mich oder meine Mitarbeitenden?“ beantworten wollen, heißt das folglich: Uns treibt das an, was wir wirklich wollen, worum es uns wirklich geht, das was wichtig ist und Sinn ergibt. Der erste Schritt zur Umsetzung einer Idee liegt also darin, zu überprüfen, welches Motiv oder welche Werte hinter dem aktuellen Impuls stecken.
Haben Sie z.B. Mitarbeitende mit einem Projekt betraut, dessen Sinn für diese Personen fraglich ist, müssen Sie sich folglich nicht wundern, dass der Stift pünktlich zum Feierabend fallen gelassen wird, auch wenn die Deadline drängt. Haben die Mitarbeitenden jedoch Interesse am Projekt-Thema, erkennen sie die Bedeutung oder können sich mit ihren Kompetenzen einbringen, werden Grundmotive wie Weiterentwicklung, Freude oder Ehrgeiz bedient. Die Wahrscheinlichkeit eines dauerhaften, gründlichen Engagements steigt.
WAS HEMMT UNSERE INTRINSISCHE MOTIVATION?
Wir alle sind im Laufe unseres Lebens gesellschaftlichen Anpassungsprozessen unterworfen. Das Erlernen bestimmter Regeln und Verhaltensweisen ist natürlich ein notwendiger Prozess in der Erziehung. Dabei kommt es jedoch häufig zu einer Überanpassung, bei der Menschen ihre fundamentalen Bedürfnisse, Wünsche und Motive soweit vergessen können, dass sie kaum mehr Zugriff darauf haben. Ersetzt werden diese eigentlichen Bedürfnisse dann durch rationale Überlegungen. Z.B. erscheint es viel sinnvoller direkt nach der Schule in den Beruf zu starten und nicht so viel Zeit zu verlieren, anstatt ½ Jahr in die Welt hinaus zu fahren. Nicht selten führt dann im vorgerückten Alter eine Lebenskrise erst wieder zu der Frage, was ich mit 20 Jahren eigentlich einmal vorhatte und warum ich heute an einer ganz anderen Stelle in meinem Leben stehe.
Menschen können deshalb nur dann intrinsisch motiviert, engagiert und innovativ agieren, wenn sie aus dem Modus des Funktionierens herauskommen. Potentiale können nur entfaltet werden, wenn Mitarbeitende und Führungskräfte ihre Motive, Bedürfnisse und wirklichen Überzeugungen kennen und in Übereinstimmung damit im Unternehmen handeln können.
Insbesondere Führungskräften kommt dabei eine doppelte Aufgabe zu: Zum einen sollten sie ihre eigenen Motive kennen, zum anderen sollten sie Mitarbeitende in Gesprächen dabei begleiten, ihre persönlichen Beweggründe zu finden. Natürlich müssen wir uns alle auch mit Dingen befassen, die einfach nur erledigt werden müssen. Jedoch hilft auch hier der Austausch von Mitarbeitenden und der Führungskraft. Wenn Mitarbeitende wissen, das Vorgesetzte ihre Potentiale, Ressourcen und Motive kennen, fühlen sie sich wahrgenommen, richtig gesehen und akzeptieren unliebsame Aufgaben eher.
WIE GEHEN WIR MIT UNSEREN ZIELEN UM?
Während Motive uns antreiben, geht von einem Ziel eher eine Sogwirkung aus. Mit dem Rückenwind des Motivs suchen wir uns eine in gewisser Weise „magnetische“ Richtung, ein attraktives, herausforderndes Ziel. Diese beiden Kräfte führen zu einem inneren Spannungszustand, der das Handeln aktiviert.
Bereits in den 60er Jahren entwickelte Edwin Locke seine bahnbrechende Zielsetzungstheorie, die die Grundlagen für die sogenannten SMARTen Ziele legte. Danach sollten Ziele signifikant (specific), messbar (measurable), erreichbar (attainable), realistisch (realistic) und auf einen konkreten Zeitraum bezogen (time-phased) sein.
Zusammen mit Gary Latham wurden die Gedanken in den Folgejahren weiterentwickelt. Es wurde deutlich, das herausfordernde Ziele die Performance deutlich erhöhen, jedoch sind darüber hinaus sogenannte Moderatorvariablen nötig. Zwei Faktoren sind dabei besonders entscheidend:
- Die Selbstwirksamkeit, die durch den Glauben an die eigenen Fähigkeiten, gemeinsame kleinschrittige Projektplanung und aufgabenbezogenes Feedback unterstütz werden kann.
- Die Wichtigkeit der Aufgabe, die durch Partizipation bei der Zielfindung, einer inspirierenden Vision oder Faktoren wie Anerkennung gesteigert werden kann.
Zentral ist darüber hinaus das Fördern einer werteorientierten, unterstützenden Teamkultur, in der Konflikte zeitnah geklärt werden und Rollenklarheit herrscht. An dieser Stelle wird besonders deutlich, dass Führungskräfte die nach den Grundsätzen der transformationalen Führung handeln, schon viele wesentliche Gedanken der Motivationspsychologie aufgreifen.
ACHTUNG: WAS PASSIERT, WENN ES GESCHAFFT IST?
In vielen Unternehmen folgt am Ende eines Projektes oder nach Iterationsschleifen eine Retrospektive. Dieses Vorgehen ist bei Ihnen vielleicht bereits eingeführt und routiniert. Möglicherweise moderieren Sie als Führungskraft solche Treffen. Um an dieser Stelle professionell handeln zu können, sollte ein entscheidender Effekt Ihre Aufmerksamkeit bekommen der für den Forscher Lee Ross (1977) so dominant war, dass er ihn fundamentalen Attributionsfehler nannte. Hinter diesem etwas dramatischen Wort verbirgt sich folgende Beobachtung:
Wenn wir die Effekte einer Handlung beobachten, gleich, ob wir unsere eigenen Handlungsfolgen oder die anderer in den Blick nehmen, können wir sie auf zwei Arten interpretieren. Wir können sie entweder der Person selber – bzw. uns selber – zuschreiben oder den Einfluss von Umweltfaktoren zur Begründung der Handlung heranziehen.
Hierzu ein konstruiertes Beispiel: Ihre Führungskraft überrascht Sie mit einem Lob Ihrer Tätigkeit und nimmt sich heute ungewöhnlich viel Zeit für ein persönliches Gespräch mit Ihnen. Wenn Sie diese Handlung auf die Person beziehen, denken Sie vielleicht: „Was für ein freundlicher und aufmerksamer Mensch – so kannte ich ihn/sie bislang noch gar nicht.“ Schreiben Sie den Grund für das Geschehen eher den Umweltfaktoren zu, überlegen Sie vielleicht eher folgendes: „Bestimmt hat meine Führungskraft das wieder in einem seiner/ihrer Seminare gelernt!“
Auch einen Misserfolg können wir unserem Gegenüber auf zweierlei Arten zuschreiben. Ihre Kollegin, ihr Kollege hat die Präsentation, für die sie/er verantwortlich war, nicht fertig gestellt. Denken Sie eher: „Sie/er sollte sich mit Powerpoint besser auskennen und ihr/sein Zeitmanagement besser im Griff haben“ (Zuschreibung auf die Person) oder denken Sie vielleicht: „Der Zeitrahmen war aber auch wirklich extrem knapp und meine Kollegin/mein Kollege hatte auch gerade noch mächtig viel andere, wichtige Dinge zu tun!“ (Zuschreibung auf die Umwelt)?
WIE IST IHRE SICHT AUF IHRE MITARBEITENDEN?
Häufig neigen Führungskräfte zu der umgekehrten Zuschreibungsrichtung, also der von weniger gelingenden Beziehungen. Fehler von Mitarbeitenden werden ihrer Person zugeschrieben. Dazu gehören z.B. die mangelnde Begabung oder auch die mangelnde Anstrengungs- und Konzentrationsbereitschaft. Für Gelungenes werden häufiger Umwelteinflüsse genannt, wie zum Beispiel die Rahmenbedingungen, die Aufgabenschwierigkeit oder die Unterstützung durch andere.
Die Gründe für diese Zuschreibungstendenz liegen einerseits in unserem kulturellen Hintergrund. Individualistisch geprägte Kulturen neigen zu einer stärkeren personenbezogenen Zuschreibung, während kollektivistische Kulturen eher einen umfeldorientierten Ansatz bevorzugen.
Zum anderen hat dieser unbewusste Zuschreibungsstil die Folge, dass sich Führungskräfte insofern aufwerten, als sie selber für die Umweltfaktoren zuständig sind.
Daraus lässt sich für Führungskräfte die Notwendigkeit schlussfolgern, bewusster die Umweltfaktoren bei der Bewertung von Mitarbeitenden zu reflektieren, um einen vollständigen, faktenorientierten und gerechten Blick auf die Situation zu bekommen. Darüber hinaus sollten Mitarbeitende dabei unterstützt werden, Erfolge ihrem eigenen Können zuzuschreiben, Erfolge sollten gefeiert werden und Erreichtes auch in Zukunft gefestigt werden.
ZUSAMMENFASSEND HEISST DAS FÜR IHR FÜHRUNGSHANDELN:
- Kennen Sie Ihre eigenen Motive.
- Setzen Sie sich mit den Motiven Ihrer Mitarbeitenden auseinander und reden sie mit ihnen darüber.
- Setzen Sie herausfordernde Ziele.
- Beteiligen Sie Ihre Mitarbeitenden.
- Geben Sie aussagekräftiges Feedback in dem die Mitarbeitenden gesehen und wertgeschätzt werden.
- Inspirieren Sie die Mitarbeitenden durch die Darstellung der Sinnhaftigkeit und der Bedeutsamkeit ihres Handelns.
- Schaffen Sie Anlässe für persönliches Wachstum und Weiterentwicklung.
- Reflektieren Sie Ihre Zuschreibungen kritisch und ergänzen bewusst fehlende Aspekte.
Je stärker Sie die dargestellten Aspekte der intrinsischen Motivation beachten, desto weniger benötigen Sie die z.T. kostspieligen extrinsischen Strategien, die in gewissen Fällen sogar Motivation reduzieren, ‘unerwünschtes Verhalten’ fördern oder sogar korrumpierbar machen können.
Insbesondere bei komplexen und kreativen Aufgabenstellungen, sorgt die intrinsische Motivation für den nötigen persönlichen Einsatz ganz im Sinne von Henry David Thoreau: „Was vor uns liegt und was hinter uns liegt, ist nichts im Vergleich zu dem, was in uns liegt. Und wenn wir das, was in uns liegt, in die Welt tragen, geschehen Wunder.“
Text: Monika Eckern
Fotos: depositphotos.com
Quellen:
Uli Kuhl, Joachim Siegbert Krug: Macht, Leistung und Freundschaft, Kohlhammer, 2006
Gerald Hüther: Etwas mehr Hirn bitte, V&R, 2015
Florian Becker: Mitarbeiter wirksam motivieren, Springer, 2019