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Sozial kompetente Auszubildende – Potential-Träger der Zukunft

06. September 2021

Mit Spannung und Neugier haben die neuen Auszubildenden vor wenigen Wochen ihre Ausbildungstätigkeit begonnen. Sie haben sich auf den Weg gemacht, um den Übergang zwischen der allgemeinbildenden Schule und dem Arbeitsmarkt zu bewerkstelligen. Zu Beginn der Ausbildung gehen den meisten jungen Menschen viele Fragen rund um den Ausbildungsstart durch den Kopf. Kann ich das überhaupt? Was passiert, wenn ich etwas nicht schaffe? Wen kann ich um Unterstützung bitten? Duze oder sieze ich die Kollegen? Der Übergang stellt Auszubildende also oft vor Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Obwohl alle den Schwellenübertritt in etwas Neues und den Übergang teilen, kann von Homogenität kaum gesprochen werden. Unterschiedliche Werdegänge und Voraussetzungen vom gerade absolvierten Schulabschluss über die zweite Ausbildung bis hin zum gap-year sind Kennzeichen dieser bunt gemischten Gruppe von jungen Menschen. Aber neben dieser großen Variabilität gibt es auch etwas, was sie eint: das „Z“.

„DIESE JUGEND HEUTZUTAGE“ – DAS GENERATIONENKONZEPT

„Diese Jugend heutzutage“: Diesen Ausspruch gepaart mit einem verständnislosen Gesichtsausdruck und einem Kopfschütteln kennen wir alle aus unserer Jugend, oder? Auch heute gibt es weiterhin vermehrt Führungs- und Leitungskräfte, die sich irritiert darüber zeigen, dass sowohl ihr eigener Nachwuchs als auch jüngere Mitarbeiter eine ganz andere Einstellung zur Arbeit haben, als sie selbst das über Jahrzehnte gelebt und für richtig und notwendig empfunden haben. Dieser Unterschied zwischen den Generationen ist ganz normal , denn jede Generation lernt von der vorherigen und leitet daraus einen eigenen Wertekanon ab.

Heute stehen verschiedene Generationen im Berufsleben. Wir befinden uns gerade an einem Übergang, in dem die älteste Generation, die sog. Babyboomer sich Jahrgang für Jahrgang in den Ruhestand verabschiedet. Gleichzeitig befinden sich, folgt man den derzeitigen Beschreibungen, die ersten Vertreter der sog. Generation Z, die etwa ab der Jahrtausendwende geboren sind, als Auszubildende oder bereits als Berufseinsteiger in der Arbeitswelt. Zwischen diesen beiden Generationen befinden sich die Generation X (ab Jahrgang 1965) und die Generation Y (ab Jahrgang 1980), die gerade größtenteils im Berufsleben stehen. Was macht nun die neuen Auszubildenden aus?

GENERATION Z – DIE DIGITAL NATIVES

Für die Generation Z ist die digitale Welt der sozialen Medien Alltag, Schreibmaschine und Münztelefone kennen sie nur aus den Erzählungen ihrer Eltern oder dem Museum. Der Umgang mit Smartphones und anderen digital devices wurde zum Teil von früher Kindheit an gelernt und auch die Kommunikation mit ihnen ist eine Selbstverständlichkeit. Dies deutet darauf hin, dass auch eine Ansprache, das Recruiting im „War for Talents“ über solche Kanäle vorausgesetzt wird.

Als besonders behütete Generation, deren Eltern sogar zum Studienbeginn an die Hochschule mitkommen, haben die Jugendliche laut der letzten Shell-Jugendstudie von 2019 eher ein entspanntes und gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Zugleich wachsen sie in einer Gegenwart auf, die vom Klimawandel, von Diversity-Debatten und der Corona-Pandemie mit den jeweiligen gesellschaftlichen Begleiterscheinungen geprägt ist. Die weltweit zur Eindämmung der Pandemie hervorgerufenen Kontaktbeschränkungen am Arbeitsplatz und im Privaten haben unweigerlich auch zu einer stärkeren sozialen Verunsicherung geführt. Was macht dieses gesellschaftliche Umfeld mit der sogenannten Generation Z? Ein Großteil der Jugend ist selbstbewusst genug und wehrt sich dagegen, allerdings in unterschiedlichen Formen: Neben wirksamen Protestbewegungen wie Fridays for Future, sucht diese Generation auch häufig die Anonymität der digitalen Welt, um im Rahmen von Blogs und Foren ihrem Ärger, ihrer Wut und ihrer Hoffnung freien Lauf zu lassen.

BACK TO THE FUTURE

Ein Zurück gibt es nicht, es bleibt anders. Es bleibt weiterhin notwendig, die jungen Menschen in ihrer Entwicklung zu begleiten und einen Teil zu einer gelingenden Zukunftsgestaltung beizutragen. Die demographische Entwicklung hat u.a. dazu geführt, dass ausreichend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Allerdings hat sich in vielen Branchen der Arbeitsmarkt hin zu einem Arbeitnehmermarkt gewandelt, in dem die Arbeitgeber aufgrund der niedrigen Bewerberzahl um qualifizierte Kandidaten kämpfen müssen („War for Talents“). Das beste Mittel um gute Leute in der Organisation oder im Unternehmen zu haben, ist sie selbst auszubilden. So können sie von der Pike auf eine gute Einstellung zum Beruf und zur erwarteten Qualität bekommen. Es ist sinnvoll, die guten Auszubildenden eines Jahrgangs zu übernehmen. Loyalere, motiviertere und besser ausgebildete Fachkräfte sind auf dem Arbeitsmarkt kaum zu finden!

Ein gutes Onboarding vom ersten Tag schafft Vertrauen, gibt Sicherheit in den unsicheren Zeiten und führt auf längere Sicht zu einer gesteigerten Attraktivität als Arbeitgeber. Eine qualitativ hohe fachliche, überfachliche und methodische Ausbildung bildet die Grundlage dafür, dass die heutigen Auszubildenden später als hochkompetente Fachkräfte den zukünftigen Anforderungen gewachsen sind. Berufsbildung wird in der Zukunft aber nicht mehr nur berufliche Ausbildung, sondern ein kontinuierliches – lebenslanges – berufliches sowie persönlichkeitsbildendes Lernen sein. Die dynamischen und disruptiven Veränderungen auf dem Wirtschafts- und Arbeitsmarkt können nämlich nur gestaltet werden, wenn die Unternehmen und Organisationen selbstorganisierte Mitarbeiter haben, die nicht nur über Kenntnisse und Kompetenzen zum Umgang mit neuen Themen und Situationen, sondern darüber hinaus auch über die Fähigkeiten zur selbstständigen Erschließung von Wissensquellen, zum Umgang mit Neuem, zur Planung und Gestaltung eigener Lernprojekte sowie zur Veränderung vertrauter Sichtweisen und Routinen verfügen.

ÜBER WAS SPRECHEN WIR BEI DER SOZIALEN KOMPETENZ?

Mit Sozialer Kompetenz meinen wir diejenigen Fähigkeiten eines Menschen, die dazu beitragen, in kommunikativen und interaktiven Situationen im Privatem und im Berufsleben effektiv und angemessen zu handeln. Dazu gehören Fähigkeiten, wie

  • gut zuhören können und die Perspektive des Gegenübers einnehmen, um dessen Sichtweise und Beweggründe nachvollziehen zu können,
  • sich mitteilen können und konstruktiv Kritik ausüben, damit andere verstehen, worum es geht und sich nicht persönlich angegriffen fühlen (Minimieren von Beziehungs- und Sachkonflikten),
  • mit Kritik umgehen können, um eigene Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten bestimmen zu können,
  • motiviert, zuverlässig und verlässlich sein, um anderen zu signalisieren, dass einem die Sache und die Beziehung wichtig ist,
  • Verantwortung für Aufgaben, aber auch für sich und das eigene Handeln übernehmen und reflexiv damit umgehen,
  • sich in Gruppen einfinden und mit anderen zusammenarbeiten können, um gemeinsame Ziele herauszuarbeiten,
  • einen eigenen Standpunkt entwickeln und vertreten können, aber auch konsensbereit und konsensfähig sein,
  • sich in Projekte und Problemstellungen hineindenken, Lösungen kritisch betrachten und evaluieren können, um ggf. Scheitern als Grundvoraussetzung für Innovation zu akzeptieren,
  • dem Neuen gegenüber offen sein, um Gestaltungsspielraum in Veränderungssituationen zu entwickeln.

Auch wenn sich bei der Auflistung Überschneidungen zu weiteren Kompetenzbereichen, wie der emotionalen oder auch der Selbstkompetenz ergeben, soll an dieser Stelle die Bedeutung dieser Fähigkeiten für einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung sowie für einen gelingenden Eintritt in das Berufsleben herausgehoben werden.

FÜNF IMPULSE, DIE SIE BERÜCKSICHTIGEN SOLLTEN

  • Entwickeln Sie ihr Recruiting-System. Jede Generation entwickelt ihren eigenen Wertekanon und will über ihre (Kommunikations-)Kanäle erreicht werden.
  • Legen Sie Wert auf ein ausgezeichnetes und umfassendes Onboarding. Sie als Arbeitgeber steigern ihre Attraktivität und fördern die Loyalität der jungen Menschen zu ihrem Unternehmen oder zu ihrer Organisation.
  • Entwickeln Sie ihre Führungs- und Leitungspersönlichkeit, um ihren Mitarbeitenden genauso wie ihren Auszubildenden wertschätzend, vertrauensvoll und inspirierend begegnen zu können.
  • Schaffen Sie außergewöhnliche Projekte, in denen die jungen Menschen den Umgang im Miteinander, mit Neuem, mit Verantwortungsübernahme, mit Planungs- und Entscheidungssituationen, mit Scheitern und mit Bewährung machen können und bieten Sie ausreichend Raum und Zeit für Reflexion.
  • Soziale Kompetenzen entfalten sich nicht in einer Nacht. Sondern die Ausgestaltung findet vermehrt in jungen Jahren und doch ein Leben lang statt. Bieten Sie in jedem Ausbildungsjahr Projekte an, die einen unterschiedlichen Entwicklungsimpuls setzen.
     

„Starke soziale Kompetenz reduziert Ausbildungsplatzabbrüche und erhöht die Qualität der Ausbildung. Sie kann so mitentscheidend über den Ausbildungserfolg sein und stellt Weichen für die berufliche Weiterentwicklung der jungen Menschen.“

(Peter Altmaier, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie)

 

Text: Martin Lindner